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Zur Eurobike dürfen es auch mal Sneaker sein

04.07.2024

Katrin Ordnung hat als Protokollchefin ein besonderes Auge für die Etikette in unserem Unternehmen. Welche Bedeutung der richtige Dresscode, gerade auch in einem internationalen Arbeitsumfeld, hat und warum es zur Eurobike auch mal Sneaker sein dürfen, verrät sie im Interview.

Katrin Ordnung

Frau Ordnung, ein jüngst erschienener FAZ-Artikel macht Knigge-Nachhilfe für Student*innen zum Thema. Duzkultur, flache Hierarchien und lockere Kleidung verunsichere die angehenden Berufsanfänger*innen, heißt es darin, und treibe sie ins Benimm-Seminar. Beobachten Sie bei Ihren Berufseinsteiger*innen ebenfalls diese Verunsicherung?

Meine Jobneulinge sind nicht verunsichert, was sicherlich auch daran liegt, dass sie sich aktiv mit Etikette- und Benimm-Regeln beschäftigen, bevor sie in meine Abteilung kommen. Die Studierenden aus dem FAZ-Artikel sind sehr wahrscheinlich in erste Situationen geraten, die für sie unangenehm waren. Bis dahin war ihnen möglicherweise gar nicht aufgefallen, dass ihnen etwas fehlt. 

Wie bereiten Sie Berufsanfänger*innen in Ihrer Abteilung so vor, dass Ihnen ein Fauxpas mit Ihren VIPs erspart bleibt?

Neue Teammitglieder schicke ich nicht in einen Etikette-Kurs, aber wir nehmen uns regelmäßig Zeit und besprechen teamintern immer wieder protokollarische Themen. Kürzlich lagen wir im Konferenzraum alle am Boden vor Lachen, weil wir royale Begrüßungen geübt haben. Natürlich mache ich dann auch mal vor, wie man es nicht macht. Selbst nach 20 Jahren im Protokoll gibt es für mich immer wieder neue Situationen, die mich veranlassen, mit meinem Team darüber zu sprechen, wie wir es am besten regeln können. 

Sind Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit mal in ein Fettnäpfchen getreten, das Ihnen bis heute in Erinnerung geblieben ist?

Ja, in meinen jungen Jahren habe ich einen Fettnapf eigentlich ständig zelebriert. Im Protokoll wird für Damen eine Absatzhöhe von fünf bis acht Zentimetern empfohlen. Das ist für mich die langweiligste Absatzhöhe. Ich bin ein Fan von High Heels. Vor 20 Jahren habe ich dennoch zehn Zentimeter hohe Absätze getragen - auch zur Messeeröffnung der Heimtextil mit dem portugiesischen Regierungschef. Dem Journalisten von der Financial Times Deutschland war wohl langweilig und er hat in seinem Artikel tatsächlich Parallelen gezogen zwischen meiner Absatzhöhe und dem hohen portugiesischen Staatsdefizit. Meine Schuhe waren zum Gegenstand der Berichterstattung geworden. Ein absoluter Fauxpas, denn das Protokoll selbst darf natürlich nur im Hintergrund agieren.

Würden Sie bzw. Ihre Abteilung auch mal Sneaker zu einem Anlass tragen?

Natürlich, es gibt Situationen wie zum Beispiel zur Eurobike-Messe, bei denen ich mit Lackschuhen völlig verkleidet aussehen würde. Etikette bedeutet auch, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden, um nicht aufzufallen.

„Das Thema Business-Etikette ist nicht mehr so präsent wie früher.“

Hat sich im Zeitverlauf die Etikette in unserem Unternehmen verändert?

Ich bin seit 31 Jahren im Unternehmen, davon 20 Jahre als Leiterin des Protokolls. Die Etikette bei uns im Unternehmen ist sehr liberal; es gibt keinen Dresscode. Aus Sicht einer Protokollchefin fände ich es allerdings gut, einen zu haben. Wenn ich durch unsere Kantine laufe, gerade auch im Sommer, fällt mir auf, dass das Thema Business-Etikette hier nicht mehr so präsent ist wie früher. Flip-Flops und nackte Beine finde ich nicht okay in einem Bereich, wo auch Partner und Kunden sein könnten. Ich merke, dass bei uns oft sehr viel Freizeitkleidung vorherrscht. Ich möchte hier keine uniformierten Leute, aber ich möchte zum Nachdenken anregen: Wie gehe ich in ein Meeting rein? Wie begegne ich jemandem Neuen? Und das fängt bei der Auswahl meiner Kleider an. 

Katrin Ordnung

Macht es denn einen Unterschied, ob es sich um inländische oder auch ausländische Gäste handelt?

Da wir ein sehr internationales Unternehmen sind, sollten wir auf unseren Dresscode am Arbeitsplatz umso mehr achten. In asiatischen oder arabischen Ländern ist der Dresscode zum Beispiel strenger und formeller. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit einem asiatischen Gast, der selbst Anzug und Krawatte trägt, in unseren Aufzügen und dann steigt jemand mit nackten Beinen und Flip-Flops dazu. Etikette ist sehr länderspezifisch. In China darf man sich am Tisch selbst dann nicht die Nase putzen, wenn man Heuschnupfen hat.

„Fühlen wir uns nicht alle mehr wertgeschätzt, wenn wir kurz hochschauen und uns gegenseitig grüßen?“

Was ist für Sie bei einer guten Etikette noch von Bedeutung?

Der Dresscode ist bei der Etikette das augenscheinlichste, aber es geht auch um das soziale Miteinander. Oft gehe ich hier durch die Gänge und die Mitarbeitenden sind nur in ihr I-Phone vertieft. Entweder murmeln sie etwas vor sich hin oder sie sagen gar nichts. Fühlen wir uns nicht alle mehr wertgeschätzt, wenn wir kurz hochschauen und uns gegenseitig grüßen - selbst wenn ich denjenigen auf dem Gang gar nicht kenne? Wenn ich so etwas kritisch anmerke, mache ich das nicht, weil ich arrogant bin und alles besser weiß, sondern weil ich mir Gedanken mache, wie wir als Unternehmen wirken.

Was ist die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit auf dem roten Teppich?

Wir planen alles monatelang akribisch, und dann kommt es kurzfristig doch ganz anders, etwa aufgrund einer Terminverschiebung. Eine Aufgabe unseres Jobs ist es auch, dass es nach außen immer so aussieht, als ob alles glatt gelaufen ist.

Ihr siebenköpfiges Team kommt mit viel hochrangiger Prominenz in Berührung wie etwa zur Buchmessen-Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres mit Bundespräsident Walter Steinmeier und dem spanischen Königspaar. Bereitet Ihnen ein solcher Besuch noch Nervenkitzel?

Lampenfieber und Nervenkitzel sind immer noch da. Am Anfang meiner Zeit vor 20 Jahren als Protokollchefin war der Nervenkitzel: Wie regle ich bestimmte Sachen? Heute weiß ich, dass ich viele Situationen regeln kann, das macht mich aber nicht ruhiger, weil ich auch jetzt noch absurde Situationen erlebe, die für viel Aufregung sorgen. Bislang ist aber immer alles gut gegangen.

Frau Ordnung, vielen Dank für das Gespräch!

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